Menschenhandel und Völkerrecht

Die heute international anerkannteste Definition von Menschenhandel findet sich im „Zusatzprotokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität“ (auch als „Palermo-Protokoll“ bezeichnet). Es wurde am 15.11.2000 abgeschlossen und bisher von 165 Staaten einschließlich Deutschland ratifiziert. Zitat:

„Im Sinne dieses Protokolls:

a) bezeichnet der Ausdruck «Menschenhandel» die Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbergung oder Aufnahme von Personen durch die Androhung oder Anwendung von Gewalt oder anderen Formen der Nötigung, durch Entführung, Betrug, Täuschung, Missbrauch von Macht oder Ausnutzung besonderer Hilflosigkeit oder durch Gewährung oder Entgegennahme von Zahlungen oder Vorteilen zur Erlangung des Einverständnisses einer Person, die Gewalt über eine andere Person hat, zum Zweck der Ausbeutung. Ausbeutung umfasst mindestens die Ausnutzung der Prostitution anderer oder andere Formen sexueller Ausbeutung, Zwangsarbeit oder Zwangsdienstbarkeit, Sklaverei oder sklavereiähnliche Praktiken, Leibeigenschaft oder die Entnahme von Organen;

b) ist die Einwilligung eines Opfers des Menschenhandels in die unter Buchstabe a) genannte beabsichtigte Ausbeutung unerheblich, wenn eines der unter Buchstabe a) genannten Mittel angewendet wurde;

c) gilt die Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbergung oder Aufnahme eines Kindes zum Zweck der Ausbeutung auch dann als Menschenhandel, wenn dabei keines der unter Buchstabe a) genannten Mittel angewendet wurde;

d) bezeichnet der Ausdruck «Kind» Personen unter 18 Jahren.“

Man beachte dem Punkt b): Sofern die Tatmerkmale gegeben sind, ist die tatsächliche oder behauptete Einwilligung des Opfers rechtlich unerheblich. Der deutsche § 232 des Strafbesetzbuchs (Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung) schließt dies unausgesprochen ein, was für den juristischen Laien, der den völkerrechtlichen Hintergrund nicht kennt, aber nicht leicht zu erkennen ist.

Menschenhandel und Prostitution

Der „Frauenhandel“, wie man damals sagte, nahm schon im 19. Jahrhundert globale Maßstäbe an. Eine interessante historische Darstellung findet sich bei Wikipedia.

Das genaue Ausmaß des heutigen Menschenhandels ist unbekannt und die Schätzungen gehen weit auseinander. Das Bundeskriminalamt berichtet jährlich von einigen hundert erkannten Fällen in Deutschland. Aus Sicht der Menschenhändler sind das gelegentliche Missgeschicke, die das einträgliche Geschäft insgesamt kaum belasten. „Der erneut relativ niedrige Stand der Verfahrenszahlen bedeutet nicht, dass sich die Situation im Bereich des Menschenhandels entspannt hat. Vielmehr ist zu vermuten, dass Probleme im Bereich der Verfahrensführung in Verbindung mit dem in der Praxis schwierig anzuwendenden Straftatbestand für diese niedrigen Zahlen ursächlich sind und daher auf einfacher anzuwendende Straftatbestände ausgewichen wird“ (Bundeskriminalamt Bundeslagebericht Menschenhandel 2014). Dennoch ist der Bericht sehr informativ, wenn man sich ein Bild von den kriminellen Praktiken der Menschenhändler machen möchte. Etwa zwei Drittel der Opfer kommt aus Osteuropa, besonders häufig aus Bulgarien und Rumänien. Fast die Hälfte sind unter 21 Jahre alt. Das BKA nennt Umsatzbeträge von „bis zu einigen tausend Euro“ pro Prostituierter, von denen nur ein geringer Anteil den Prostituierten selber zukommt. Bei solch zahlungskräftiger Nachfrage ist der Anreiz für kriminelle Organisationen hoch. Häufig hört man in der Diskussion,  Menschenhandel und Prostitution sollten nicht vermengt werden. Doch ist es unbestreitbar, dass der Menschenhandel zum Zweck sexueller Ausbeutung nur stattfinden kann, weil die Prostitution einen lukrativen Abnahmemarkt bereitstellt. „Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung findet nahezu ausschließlich im Prostitutionsmilieu statt.“
(BKA, Bundeslagebericht Menschenhandel 2017)

Menschenhandel und Gesetzgebung

Trotz des beschränkten Datenmaterials deuten wissenschaftliche Untersuchungen darauf hin, dass wohlhabende Länder, in denen Prostitution, Zuhälterei und der Betrieb von Bordellen legal sind oder faktisch kaum verfolgt werden – wie etwa Deutschland und die Niederlande – zu den wichtigsten Zielländern des Menschenhandels zählen. (Siehe dazu Niklas Jakobsson und Andreas Kotsadam, 2015, The Economics of Trafficking for Sexual Exploitation).

Als gesichert gilt, dass das seit 1999 bestehende Sexkaufverbot in Schweden zu einem Rückgang des Menschenhandels in Schweden geführt hat (siehe Max Waltman, 2011, Prohibiting Sex Purchasing and Ending Trafficking: The Swedish Prostitution Law).