Ein Gastbeitrag von Anja Röhl      (danke, Anja!)

Kein Problem spaltet momentan die Linke derart, wie die Haltung zum Sexkauf versus „Sexarbeit“. Als selbstverständlich wird seit einiger Zeit unter denen die sich links fühlen, die Position angesehen, welche die Hurenbewegung, die sich später Sexarbeiterinnen nannten, in den öffentlichen Diskurs eingebracht haben, nämlich die, dass ihnen endlich Anerkennung, Straffreiheit und das „Recht“ auf ihren „Beruf“  zuteil werden sollte, so wie jedem anderen.

Sie liefen und laufen dagegen Sturm, dass die von früher herkommende Verteufelung und Kriminalisierung der Prostituierten noch immer wirkt, die aber doch eine bürgerlich-christliche Heuchelei ist, denn diejenigen, die am meisten gegen die „gefallenen Mädchen“ wetterten, sind genau die, die sie am meisten aufsuchen, um ihre von ihren Ehefrauen abgespaltenen tabuisierten Sexualgefühle dort zu befriedigen, wo sie das Böse und Verworfene erst herbeigeredet haben.

Aus diesem abseitigen, dunklen und kriminalisierten Milieu wollen die Huren heraus,  und so fordern sie endlich ihre gesellschaftlich gleichberechtigte Anerkennung. Berechtigter Wunsch.

In Folge wurde die Kriminalisierung tatsächlich gelockert. Doch wo wurde sie gelockert? Bei der Verfolgung der Zuhälterei, dies, ohne die Machtverhältnisse zu verändern.  Dadurch verschärfte sich die Situation, denn es gab mehr Macht denen, die vorher durch die Angst vor Bestrafung noch manchmal im Zaum gehalten wurden.

Manches kann man nicht voraussehen, diese Folge überraschte,  und das ist es, das heute die links denkenden Menschen spaltet, denn sie wollen sich nicht klar machen, dass alles anders gekommen ist, wie damals gedacht.

Die Lockerung führt im Kapitalismus, der sich heute spezifisch entfesselt hat, dazu, dass es nicht den Prostituierten nützt, nur den Nutznießern, den Bordellbesitzern und den Freiern. Die Prostituierten leiden mehr denn je. Natürlich melden sich Nutznießer zu Wort, meist besser gestellte, deren freie Unternehmen unter den neuen Verhältnissen aufblühten. Sie nennen sich Sexarbeiter/innen und tragen ein gekünstelt-hochnäsiges Selbstbewusstsein vor sich her, das denjenigen angreift, der anderer Meinung ist. Sie treten in guten Kleidern auf und fordern, dass Jugendliche den Beruf einer Sexarbeiterin erlernen sollen dürfen, so wie den einer Krankengymnastin. Sie machen das Verdinglichen ihres Körpers zu etwas, was erstrebenswert sei und die Ware, die ihr eigener Körper darstellt, zu etwas, das man gerne gibt gegen Geld. Damit reden sie sich ein, dass sie die Oberhand behalten. Sie reden sich das Übertreten der Grenzen ihres Körpers als etwas Selbstbestimmtes ein wie ein  Geldgeschäft.

Das ist die vollkommenste Kapitalisierung des Menschen. Es kommt dem Herausschneiden von Nieren gleich, wie man sie in Slums vorfindet.

Niemand will wieder zurück in die Zeiten der Doppelmoral und der Heuchelei. Niemand will die Prostituierten verurteilen, bestrafen, mit Bann belegen, nein, den Sexkauf stoppen heißt, die Freier dafür bestrafen, dass sie eine Frau zur freien Verfügung kaufen. Es geht darum Zuhälter in ihrer Macht zu beschränken, und gleichzeitig den Prostituierten echte Ausstiegschancen zu bieten.

Es ist also tatsächlich so, dass die Gegenposition die Prostitution abschaffen will, aber es geht dabei nicht gegen, sondern für die Prostituierten. Die Grundlagen dieser Ausbeutung sollen abgeschafft werden, für die ehemals Ausgebeuteten müssen Aussteigeprogrammen geschaffen werden.

Das impliziert, dass diese Haltung die Prostitution nicht als einen „normalen“ Beruf ansieht, sondern  als eine seelisch und körperliche Sklaverei, eine Verdinglichung des Menschen, eine Vergewaltigung mit Zustimmung, gegen Geld, genauso wie der Fabrikarbeiter im vorigen Jahrhundert seinen Körper gegen Geld an die Fabrikbesitzer vermietete. Geboren aus einer Notsituation der Frauen, die diese meist nur im Alkohol- und Drogenrausch aushalten. Das ihnen kaltschnoddriges Verhalten und Verdrängung abverlangt.  Der Riss geht also quer durch die Prostituiertencommunity, die „Sexarbeiterinnen“ haben solche aufzuweisen, die erzählen, dass sie ihren Körper gern verkaufen, diejenigen, die aus der Gegenrichtung argumentieren, haben ebenso zahlreiche Betroffene, die davon berichten, wie grausam und quälend diese Tätigkeit ist. Zahllose Zeugenaussagen gibt es auf der ganzen Welt, die gegen Prostitution als normalen Beruf sprechen. Immer wieder ist dabei die Rede von den seelisch-schweren Folgen dieser weißen Sklaverei, das geht von Liebesunfähigkeit, über Männerhass, autoaggressivem Verhalten bis hin zum Suizid.

Die Linken haben sich offenbar entschieden, die letzten Stimmen zu überhören, und sich den BefürworterInnen anzuschließen, die geschickt gegen eine überkommene Moral argumentieren.  Dies halte ich für einen schwerwiegenden Fehler. Besonders da es dem Marxismus als Wertekanon widerspricht, der sich eine Gesellschaft ohne Knechtschaft und Entfremdung wünscht. Sie stellt sich vielfach hinter diejenigen Befürworterinnen, die in den Medien neuerdings den Ton angeben.

Dabei gibt es eindeutige Zahlen, die aussagen, dass die Lockerung der Gesetze nur den Zuhältern geholfen haben, nach wie vor möchten die meisten Frauen nicht bekannt machen, dass sie diesem „Gewerbe“ nachgehen, möchten das auch keineswegs an ihre Kinder, als einen normalen Beruf weitergeben, wünschen sich den Ausstieg. Wenn es ein „normaler“ Beruf ist, warum sollte man dann Aussteigerinnen unterstützen?

Ich habe schon einmal geschrieben, dass Knechtschaft und Ausbeutung etwas objektiv zu Bestimmendes ist, es kann nicht sein, dass, wenn die Ausgebeuteten vor Fernsehkameras freudig zustimmen, es keine Ausbeutung mehr genannt werden darf.  Und wenn man sich die Lebensläufe der selbstbetroffenen BefürworterInnen anschaut, fällt ein hoher Prozentsatz von Profiteuren auf, die selbst gar nicht mehr der entsprechenden Ausbeutung ausgesetzt sind. Wieso durchschauen das viele links bewegte Menschen nicht?

Ich fragte letztens eine sich feministisch nennende Frau, die Anhängerin der Freiwilligkeitsthese von Prostitution ist, ich fragte sie, ob sie sich doch bitte den Vorgang einmal vorstellen soll, wie sie selbst sich fühlen würde, wenn ein Mensch gegen Geld mit ihrem Körper alles machen dürfte, was er wollte, ohne Liebe, ohne Zärtlichkeit, da er sie ja gar nicht kenne, sich  ihrer Körperöffnungen mit fremder Gewalt bedienen, in sie eindringen, sie bespucken, bespritzen, bepinkeln dürfe, ganz nach Belieben. Und das in den neuen Flatrate-Bordells solange er will, 8 Stunden pro Tag, zigmal und die Prostituierten müssen für diese Sklaverei auch noch bis zu 150.- Euro pro Tag zahlen.

Sie schrie, nein, das will ich mir nicht vorstellen!

Das sollte sie aber, wenn sie dafür ist, dass daraus ein normaler „Beruf“ werden soll. Denn das ist der Weg zu diesem neuen Beruf, wir sind ihn schon gegangen, die Gesetze hatten sich gelockert, das war dabei herausgekommen: Schlimmere Frauenfeindlichkeit, schlimmere Frauenfolter, unter der Ägide der Freiwilligkeit, der Sauberkeit, der ordnungs- und gewerbsmäßigen Anmeldung.

Die Sexarbeiter-BefürworterInnen sagen an dieser Stelle, man sei verklemmt und habe ein Problem mit der Sexualität. Und dies ist das beste Beispiel dafür, dass Sexkauf ein Phänomen des angeschwollenen Kapitalismus ist, eine totale Verkäuflichkeit auch noch der letzten, dem Menschen noch verbliebenen Bastion, den intimsten Stellen seines Körpers.

 

Jean Amery:

„Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Die Hautoberfläche schliesst mich ab gegen die fremde Welt: Auf ihr darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag aber bricht dieses Weltvertruen zusammen. Der andere gegen den ich physisch in der Welt bin und mit dem ich nur solange sein kann, wie er meine Hautoberfläche als Grenze nicht tangiert, zwingt mir mit dem Schlag seine eigene Körperlichkeit auf. Er ist an mir und vernichtete mich damit. Es ist wie eine Vergewaltigung, ein Sexualakt ohne Einverständnis der beiden Partner“

Aus: Jenseits von Schuld und Sühne, 1966 (Bewältigungsversuche eines Überwältigten, München DTV, 1970, S.40

Namentlich gezeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Netzwerks LINKE für eine Welt ohne Prostitution wieder.

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